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Das Recht auf Privatleben gewinnt an Konturen – EGMR-Urteil Ghadamian gegen die Schweiz

Das Recht auf Privatleben gewinnt an Konturen – EGMR-Urteil Ghadamian gegen die Schweiz

Kommentierung
Verbleiberechte (FZA / EMRK)

Das Recht auf Privatleben gewinnt an Konturen – EGMR-Urteil Ghadamian gegen die Schweiz

(1) In den vergangenen rund fünf Jahren erfuhr der Schutz des Privatlebens gemäss Art. 8 EMRK in der hiesigen Rechtsprechung zunehmende Beachtung. Mit einem neuen Entscheid meldet sich nun auch wieder der EGMR zu Wort. Im Urteil Ghadamian gegen die Schweiz vom 9. Mai 2023 lässt der Gerichtshof erahnen, in welche Richtung die Entwicklung weitergehen soll. So hindert weder schwere Straffälligkeit noch ein ungeregelter Aufenthalt die Behörden und Gerichte, einer ausländischen Person eine Bewilligung gestützt auf den Schutz des Privatlebens (wieder) zu erteilen. Vielmehr kann unter Umständen eine positive Verpflichtung des Staates bestehen, das Privatleben mittels Bewilligungserteilung zu schützen.

(2) Bereits mit BGE 144 I 266 vom 8. Mai 2018 zur Frage des Widerrufs einer bestehenden Bewilligung kam Bewegung in die Sache und das Recht auf Privatleben erhielt griffigere Konturen. Das Bundesgericht formulierte eine rechtliche Vermutung mit dem Ziel einer vereinfachten Interessenabwägung. Nach einer rechtmässigen Anwesenheit von zehn Jahren bedarf die Beendigung des Aufenthalts besonderer Gründe, da nach dieser Zeitspanne regelmässig eine gute Integration vorausgesetzt werden kann. In der Folge aber stiftete das Bundesgericht mit den Urteilen BGE 149 I 66 (2C_528/2021 vom 23. Juni 2022), BGer-Urteil 2C_5/2022 (vom 17. August 2022) und BGE 149 I 72 (2C_821/2021 vom 1. November 2022) Verwirrung. Diese Entscheide zu Personen, die ohne Rechtstitel in der Schweiz leben, hoben vornehmlich die rechtsstaatlichen Bedenken hervor, welche einer Bewilligungserteilung entgegenstehen: Personen, die sich über rechtskräftige Entscheide hinwegsetzen, sollen nicht gegenüber denjenigen bevorzugt werden, die sich an die behördlichen Vorgaben halten. Der Schutzbereich des Privatlebens blieb ihnen verwehrt, auf entsprechende Begehren wurde nicht eingetreten.

iusNet MigR 20.09.2023

 

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